Kratzensetzmaschine und Kratzenindustrie

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In den Krempelmaschinen der Vorspinnerei kommt ein spezielles Verschleißprodukt zum Einsatz, das bis heute in der Streichgarnspinnerei zum Einsatz kommt: das Kratzenband. Dieses in Kratzenfabriken hergestellte flexible Band ersetzt seit rund 200 Jahren die in der vorindustriellen Zeit verwendeten Nagelbrettchen zum Kardieren der (ungeordneten) Textilfasern, z.B. Wolle oder Baumwolle (siehe dazu die an der Wand angebrachte Abbildung aus der Enzyklopädie von Denis Diderot). Die hier ausgestellte Kratzensetzmaschine wurde von einer Aachener Maschinenfabrik produziert. Allein schon die Menge der in dieser Halle auf Krempeln und Rauhmaschine aufgezogenen Kratzenbänder verdeutlicht, dass Tuchproduktion ohne Kratzenbänder nicht denkbar war. So lag es nahe, dass man sich auch in Aachen mit der Produktion von Kratzenbändern beschäftigte, zumal der Umgang mit der Verarbeitung von Draht zu Nadeln eine der Aachener Kernkompetenzen war. Im Laufe der Jahre entstanden in Aachen etwa 80 Kratzenproduktionsstätten, von denen heute keine mehr existiert. Der Bau des heutigen Suermondt-Ludwig-Museums in der Wilhelmstraße als Wohnhaus des Kratzenfabrikanten Cassalette belegt, dass es sich um einen durchaus lukrativen Produktionszweig handeln konnte.

Was die Herstellung von Kratzenbändern angeht, so verwendete man früher zunächst Lederbänder, in die kleine Drahtstücke maschinell eingearbeitet wurden. Später ging man dazu über, eine mehrlagige Schicht aus Baumwolltuch mit einer darauf gelegten Schicht aus Filztuch anzulegen, die anschließend mit Kautschuk verklebt wurde. Seit einigen Jahren verwendet man in der Regel Gummi statt Filz; dazu kommen wie früher die Schichten aus Baumwolltuch. Dieses in speziellen Kratzentuchfabriken hergestellte breite Kratzentuch wird anschließend je nach Verwendung in schmale Bänder zerschnitten. Dies geschah für Aachen in der Kratzentuchfabrik Sartorius, die ebenfalls am Wildbach lag (neben der früheren Färberei Rouette) oder in Verviers. Dort wird übrigens noch heute in der Kratzentuchfabrik Gomitex Kratzenband hergestellt.

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Die in Kratzentuchfabriken hergestellten Bänder wurden anschließend in den Kratzenfabriken zu den eigentlichen Kratzenbändern weiterverarbeitet. In keiner Stadt Deutschlands gab es so viele Kratzenfabriken wie in Aachen. Die letzte, die Kratzenfabrik Schwartz in der Lothringerstraße, stellte in den 1990er-Jahren die Produktion ein. Was geschah nun in den Kratzenfabriken? Das Foto an der Wand zeigt eine Halle in der Kratzenfabrik Despa in Verviers (um 1950): In Reih und Glied stehen dort sog. Kratzensetzmaschinen, mit denen kleine Drahtstückchen in das Kratzentuchband eingebracht werden. In einem zweiten Herstellungsschritt werden die so entstehenden Kratzenbänder noch plangeschliffen.

Von den in der Tuchwerk-Ausstellung vorhandenen Kratzensetzmaschinen ist eine noch in Funktion zu erleben – ein Wunderwerk des klassischen Maschinenbaus. Hier nämlich wird aus einer Antriebsbewegung heraus ein Stück Draht eingezogen und abgeschnitten, sodann zu einem U gebogen, während bereits zwei Löcher in das Kratzenband gestochen werden, durch das u-förmige Drahtstück hindurch gedrückt wird. Gleichzeitig wandert das Band beständig hin und her, damit das Band in seiner ganzen Breite mit Draht bestückt werden kann. Es ist faszinierend zu sehen, wie die oben sichtbare Nockenwelle und ein im unteren Bereich befindliches Stufenrad die einzelnen Herstellungsschritte steuern.

  • Wikipedia: Suermondt-Ludwig-Museum
  • Wikipedia: Aachener Kratzenfabrik Cassalette
  • Kratzenfabriken in Aachen