Wohnsituation und Lebensumstände
Hesse, F. E.: Einige medizinische Nachrichten und Bemerkungen über Burtscheid bei Aachen. –
Aachen, 1804, S. 6-7 (Abschrift Original)
Ungesund aber sind fast durchgehends die Wohnungen des dritten Standes, der gemeinen Arbeitsleute; diese sind gewöhnlich niedrig, dumpfig und feucht. Hier befindet sich gewöhnlich die ganze oft zahlreiche Familie beyeinander, und arbeitet, ißt und trinkt, und bettet sich beysammen.
Was diese Wohnungen besonders ungesund macht, sind die in einem niedrigen und mit einem Deckel versehenen Ofen glimmenden Steinkohlen, deren scharfe saure Dünste, verbunden mit den Ausdünstungen der in der Wohnungen selbst verschiedener Weise zu bearbeitenden Wolle, dem Lampenschwaden, u. d. gl. Einen äußerst wiedrigen Geruch erzeugen und leicht mancherley Brustbeschwerden Nervenaffecte, Bleichsucht, Wassersucht u. s. w. verursachen.
Widrig ist der Eintritt in die Wohnungen der vierten Klasse, der Armen. Diese wohnen meistens in noch engeren und feuchten und dabey äußerst schmutzigen und mit allerley bösen Ausdünstungen angefüllten Kammern. Gewöhnlich sind die Fußboden derselben, wenn nicht mit Ziegel oder blauen Steinen, mit festgestampfter Leimerde belegt. Diese schlechte Beschaffenheit der Kammern, abgerechnet die übrigen der Gesundheit nachtheiligen Umstände der Bewohner, als: Mangel an genugsamer und schicklicher Nahrung und Pflege, Kummer und Nahrungssorgen, ist allein für sich schon hinreichend den Körper siech und elend zu machen, und besonders die festen Theile des Körpers zu schwächen. Der Mangel an genugsamer Handarbeit und die da herrührende Unthätigkeit des Körpers dieser Armen trägt natürlicher Weise auch vieles zu den Krankheiten dieser Menschenklasse bey.
Ein äußerst unangenehmes Gefühl erweist nun endlich der Eintritt in die Wohnungen der letzten Klasse der Einwohner, der Klasse – der ganz Armen. Hier findet man das Gemälde des menschlichen Elends vollkommen getroffen: Hunger, Kummer und Krankheit beysammen; kaum Stroh genug, zwischen zwey oder drey alten Brettern oder gar auf der feuchten Erde, zum nothdürftigen Lager gestreuet, kaum Matten oder Lumpen genug zur Bedeckung des halbnackenden Leibes, kaum Brot genug zur Stillung des Hungers und zum Mitteilen desselben an die halbnackenden Kinder!